Leben mit PEG-Sonde; ein Interview mit Bastian

7 min. Lesezeit

Dieser Beitrag handelt von einem Thema, das auch viele Kopftumor-Patienten oft vorübergehend betrifft. Auch ich hatte nach meiner großen Tumoroperation eine PEG-Sonde. Ich habe dieses Hilfsmittel lange Zeit verweigert, was mich damals beinahe das Leben gekostet hätte, weil ich durch die starke Unterernährung vor einem multiplen Organversagen stand.

Ich hatte diese Unterstützung zur Nahrungsaufnahme für einige Monate und konnte zum Glück wieder erlernen mich oral zu ernähren. Trotzdem begleitet mich die Thematik immer noch. Darum habe ich mich in der Szene umgehört und einen echten Spezialisten zu einem Interview gebeten. Bastian Krösche von Leben mit PEG erzählt aus seinem Alltag und über seinen Blog.

Im Gespräch mit Bastian zum Thema Leben mit PEG-Sonde

Hallo lieber Bastian, wir kennen uns über Instagram, weil wir dort mit eher ungewöhnlichen Themen
vertreten sind. Meine Leser*innen wissen natürlich, dass ich hauptsächlich Rezepte für Dysphagie Betroffene schreibe. Du allerdings hast aus eigener Betroffenheit das Thema PEG Sonde gewählt.

Magst du erzählen, weshalb du überhaupt eine PEG Sonde hast und wie lange schon?

Klar, sehr gerne. Ich lebe mittlerweile seit rund 20 Jahren mit einer PEG. Grund dafür ist meine progressive, also fortschreitende, Muskelschwäche. Genauer, die Spinale Muskelatrophie. Bei dieser Erkrankung werden alle Muskeln im Laufe der Zeit immer schwächer. Also auch die Muskeln, die fürs Kauen und Schlucken notwendig sind. Das führte bei mir nicht nur dazu, dass essen immer anstrengender wurde, sondern auch immer öfter zum Verschlucken. Fachleute sprechen von Aspiration. Ich bekam also im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder Essen in den falschen Hals. Das ist auf Dauer nicht nur unangenehm. Es führt auch immer wieder zu Lungenentzündungen. Wenn du wegen deiner Grunderkrankung wenig Kraft hast, um abzuhusten, ist das natürlich noch mal viel gefährlicher als ohnehin schon. Um dieses Risiko zu minimieren und mir außerdem ein paar mehr Kalorien zukommen zu lassen, wurde dann die PEG-Sonde gelegt, um die orale Nahrungsaufnahme zu umgehen. Welche Gedanken hattest du, als empfohlen wurde, eine Sonde zu legen? Um ganz ehrlich zu sein, ich habe komplett dichtgemacht. In meinem Kopf lief so ein Film ab: Jetzt musst du künstlich ernährt werden, als nächstes künstlich beatmet und dann ist es eh bald mit dir vorbei. So war es zumindest beim zweiten Mal, als mir dieses Thema angetragen wurde. Denn tatsächlich wurde ich zweimal damit konfrontiert. Das erste Mal war aber eine totale Katastrophe. So konnte ich das alles, verpackt in Wut und Entsetzen auf den Arzt, komplett von mir wegschieben. Beim zweiten Mal lief das besser. Beide Geschichten genauer auszuführen, würde hier den Rahmen sprengen. Wer das genauer nachlesen möchte, ist herzlich eingeladen, das auf meinem Blog zu tun. Dort schildere ich sowohl die negative als auch die positive Erfahrung der Arztgespräche jeweils in einem eigenen Beitrag. An dieser Stelle sei aber so viel von der positiven Erfahrung verraten: Ich wurde nicht bloß mit der Tatsache konfrontiert, dass ich jetzt eine Sonde brauche, sondern ich wurde vom gesamten Team der Klinik „abgeholt“. Mir wurde also geholfen, die Notwendigkeit einer Magensonde zu verstehen, ohne mich dabei unter Druck zu setzen.

Hat dir das widerstrebt oder warst du auch selbst dafür? Ich frage das, weil ich selbst mich viele Wochen dagegen gewehrt und damit mein Leben riskiert hatte. Genau das höre ich oft von anderen Kopftumorpatientinnen. Vor allem werde ich oft in Fachkreisen mit der Frage konfrontiert, wie
macht man Patient*innen die Sonde schmackhaft.


Zurückblickend würde ich sagen, es hat mir nicht wirklich widerstrebt. Ich hatte einfach Angst. Weil
ich nicht wusste, was da genau auf mich zukommt. Das ist auch der Grund, warum ich beschlossen
habe mit diesem, ja doch sehr persönlichen Thema, in die Öffentlichkeit zu gehen und den Blog zu
schreiben. Ich möchte einfach anderen Betroffenen zeigen, was es wirklich heißt, mit einer
Magensonde zu leben. Und das nicht aus der Sicht von medizinischen Fachkräften oder Angehörigen,
sondern wirklich aus der Perspektive von jemandem, der aus eigener Erfahrung weiß, wie sich das
anfühlt.

Zum zweiten Teil Deiner Frage: Da gibt es, meiner Meinung nach, mehrere Aspekte. Zunächst einmal
sind Informationen wichtig. Und ich meine authentische Informationen und nicht irgendwelche
Abhandlungen aus Medizinlehrbüchern. Das beinhaltet natürlich auch Informationen, die dabei
helfen, zu verstehen, weshalb eine Sonde sinnvoll ist. Also, was genau da nicht mehr so läuft, wie es
die Natur eigentlich vorgesehen hat und wie die therapeutische Lösung, also die Sonde, funktioniert.
Außerdem sollten die Ängste der Patient*innen ernst genommen werden. Da steht ein neuer,
unbekannter Lebensabschnitt an. Und zwar in einer Art und Weise, über die so üblicherweise noch
nie nachgedacht wurde. Das braucht einfach ein bisschen Zeit, um verarbeitet zu werden. Natürlich
sind auch mehrere Wochen eine gefährlich lange Zeitspanne. Aber ein paar Tage sollte das schon
verdaut werden dürfen. Und egal wie lange es dauert, Druck sollte unbedingt vermieden werden.
Denn, das wissen wir aus der Physik, Druck erzeugt immer Gegendruck.




Kannst du dich auch oral ernähren?

Nicht immer. Aber dank der PEG muss ich das ja zum Glück auch nicht mehr. Wenn ich also einen
stressigen Tag habe oder mich nicht wirklich fit fühle, läuft wirklich alles über die Sonde.
Dummerweise sind bei mir fast alle Tage ziemlich stressig bzw. es fehlt einfach die Zeit, um in Ruhe
oral zu essen. Deshalb ist Oralkost für mich immer ein Highlight zu besonderen Anlässen.
Beispielsweise im Urlaub oder am Wochenende mit Freunden und Familie. Hin und wieder auch mal
als Belohnung für mich. Ich bin also in der glücklichen Situation, dass ich nur noch zum puren Genuss
essen muss. Entsprechend achte ich dann auch auf das passende Setting und qualitativ hochwertige
Zutaten.


Gehst du in Restaurants oder andere Speiselokale?

Sehr gerne sogar. Wie eben schon angedeutet, dann auch gerne in die etwas besseren Häuser. Also
nicht zu irgendeiner Fast Food-Kette. Da mein Essen dann pürierte sein muss, ist das natürlich jedes
Mal auch eine besondere Aufgabe für die Küche. In aller Regel gebe ich den Damen und Herren aber
eine Vorwarnung. Es wird also bereits bei der Reservierung kommuniziert, welche besonderen
Bedürfnisse ich habe und wie sich die Küche darauf einstellen muss. Bisher war das auch noch nie ein
Problem. Manchmal, gerade bei spontanen Restaurantbesuchen, kommt dann schon noch mal eine
Rückfrage, ob es wirklich ernst gemeint ist. Aber auch dann wird sich darauf eingestellt. Inzwischen
habe ich auch immer eine kleine Handreichung für die Küche dabei, damit sie einfach schwarz auf
weiß und kurz und knapp nachlesen können, was genau gewünscht und weshalb das notwendig ist.
Ich habe auch schon häufiger erlebt, dass sich die Damen und Herren in der Küche über diese
Herausforderung gefreut haben. Weil sie dann wirklich ihr Handwerk zeigen können. Ich hatte da
schon die tollsten Erlebnisse. Angefangen beim relativ spontanen Candlelight Dinner – ich hatte
gerade mal 8 Stunden vorher mit dem Koch besprochen, dass ich meine Begleitung damit
überraschen wollte – bis hin zum romantischen Picknick am See, bei dem sogar das Toastbrot mit
Lachs pürierte war.


Kannst du verreisen, wenn ja, wie machst du das mit der Nahrungsversorgung?


Ich liebe es zu verreisen. Tatsächlich bin ich auch beruflich sehr viel unterwegs. Auf einem Business-
Trip ernähre ich mich dann auch üblicherweise über die Magensonde. Denn da brauche ich meine
Kräfte und Konzentration für anderes.
Bei privaten Reisen läuft es dann häufig so, dass ich zumindest eine Mahlzeit am Tag oral einnehme.
Der Rest läuft trotzdem über die PEG. Einfach, damit ich genug Kalorien zu mir nehme und
ausreichend Energie habe.

Natürlich muss ich dann die Sondennahrung und das Zubehör auch mitnehmen. Aber entweder das
passt mit ins Gepäck oder es wird vorab an das entsprechende Hotel geschickt.
Warum würdest du jemand anderen, der sich gegen eine PEG Sonde wehrt, dazu raten?
Nun, zunächst mal wird dir ja nicht einfach so zu einer Sonde geraten. Nur weil es gerade trendy ist.
Es hat Gründe, dass die Ärztinnen und Ärzte diese Art der Therapie vorschlagen. Das sollte unbedingt
ernst genommen werden.
Dann ist es so, dass auch eine Magensonde nichts weiter ist als ein Hilfsmittel. Es soll uns also helfen.
Konkret ist die Aufgabe einer Sonde, uns dabei zu helfen, dass wir unseren Körper einerseits mit den
notwendigen Nährstoffen, andererseits mit der notwendigen Menge an Flüssigkeit versorgen, damit
er funktioniert. Überhaupt funktionieren kann. Das alles mit der geringsten möglichen Veränderung
für den Körper. Je nach Krankheitsbild umgeht eine Sonde daher immer nur den Teil der natürlichen
Nahrungsaufnahme, der krankheitsbedingt nicht mehr funktioniert. Sie wird also in den Magen oder
in den Dünndarm gelegt, damit die natürlichen Prozesse von da an möglichst normal weiter ablaufen
können.
Natürlich gibt es leider auch Krankheitsbilder, bei denen eine orale Ernährung nie mehr möglich ist.
In vielen Fällen ist das aber auch anders. Das bedeutet, wenn sich der eigene Zustand verbessert
oder du eben spezielle Schlucktechniken anwendest und Rahmenbedingungen schaffst, kannst du
trotzdem immer noch oral etwas essen. Vielleicht nicht mehr die notwendige Menge. Aber dafür
gibt es dann ja das Hilfsmittel Magensonde, worüber alles, was du nicht oral zu dir nehmen kannst
oder willst, ganz entspannt läuft.


Was führst du über die Sonde zu? Nur fertige Sondennahrung, oder auch Selbstgekochtes?

Ich muss tatsächlich zugeben, dass mir bis jetzt einfach die Zeit fehlte, um mich mit der Applikation
von selbst gekochter und entsprechend aufbereitete Nahrung über die Sonde zu befassen. Klingt
jetzt bei rund 20 Jahren Leben mit PEG etwas merkwürdig. Aber früher waren meine Eltern beide
berufstätig. Und seitdem ich selbstbestimmt mit Assistenz lebe, bin ich auch beruflich sehr involviert.
Von daher nutze ich bisher nur fertige Sondennahrung. Es steht aber, nicht zuletzt für meinen Blog
aber auch weil es mich persönlich interessiert, auf meiner To-do Liste, dass ich nicht mal in Ruhe mit
dem Thema Selbstgekochtes über die Sonde befasse.

Lieber Bastian, herzlichen Dank für das ausführliche Gespräch, das ich auch via Videokonferenz mit dir führen konnte.

Herzliche Grüße
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