Reden wir doch einmal über Dysphagie; Essbarriere im Alltag

5 min. Lesezeit

Zuletzt aktualisiert am 20. Februar 2022 um 12:19

Wer den Geschmeidigen Köstlichkeiten schon länger folgt, der wird wissen, dass es sich hier nicht um einen herkömmlichen Rezept Blog handelt. Seit mittlerweile bald sieben Jahren schreibe ich aus eigener Betroffenheit Rezepte für Menschen mit Dysphagie / Schluckstörungen.
Der Grund für meine persönliche Einschränkung meines Schluckaktes ist eine Zungenkarzinomerkrankung, die mich im Sommer 2011 ereilt hat. Dazu möchte ich hier nicht näher eingehen, weil das Thema zu weitläufig ist.

 

Dysphagie durch Zungenkrebs

Tatsache ist jedoch, dass ich durch die ganzen Interventionen während der langwierigen Therapien auch heute nicht mehr richtig schlucken kann. Ich blicke sozusagen auf sämtliche Dysphagie Stufen zurück, weil nach monatelanger Ernährung durch eine PEG-Sonde erst einmal nur dickflüssige Nahrung möglich war. Das bedeutete für mich, dass ich über Wochen hinweg, stundenlang damit beschäftigt war, mit einem kleinen Teelöffel und mit viel Geduld kleine dickflüssige Nahrunsgmengen zu mir zu nehmen. Das oberste Gebot war damals möglichst viele Kalorien in möglichst kleine Portionen zu verpacken. Das funktioniert auch auf herkömmliche Weise, trotzdem habe ich meine Ernährung damals mit hochkalorischen Getränken aus der Apotheke unterstützt. Die kann man nämlich auch ganz gut in Suppen, Pürees oder Mus einarbeiten. Auch Schlagobers und Crème fraîche fanden in vielen Speisen Platz.

Zum Buch

Verschiedene Dysphagie Stufen

Im Laufe der Jahre hat sich die Konsistenz meines Essen zum Glück verändert. Ich bin nicht mehr ausschließlich auf flüssige Nahrung angewiesen. Ich habe mich nun bis zu bröckeliger, stückiger Kost( fürwahr, höchst eigenartige Ausdrücke) weitergearbeitet. Das bedeutet, dass ich zum Beispiel Hackfleisch essen kann. Jedoch immer in Verbindung mit viel Sauce. Oder auch weicher Fisch findet oft auf meinen Speiseplan. Was mir immer noch verwehrt bleibt, sind Brot, Nudeln oder Reis. Das hängt mit der Stärkehaltigkeit dieser Nahrungsmittel zusammen. Stärke verbindet sich mit dem Speichel und durch die verstümmelte Zunge, kann ich die Speisen nicht richtig abtransportieren. Auch Blattsalate, festes Obst oder Gemüse sind ein Unding. Ich würde mich heute in Stufe 3  einordnen. Und das auch nicht an allen Tagen, denn oft genug passiert es, dass ich auf Brei oder dicke Flüssigkeiten zurückgreifen muss. Das hängt mit der Schleimbildung zusammen.

  • Stufe 1: schwere Dysphagie
  • Stufe 2: mittlere Schluckstörung
  • Stufe 3: leichte Dysphagie
  • Stufe 4: keine bis sehr leichte Schluckstörung

Ursachen für Dysphagie

Dysphagie, ein Begriff, der mir übrigens vor meiner Erkrankung nicht unbedingt geläufig war. Ja, selbst als das Problem akut wurde, war das Wort nicht unbedingt auf meinem Radar. Vielmehr sprach man von Schluckproblemen, Schluckbeschwerden oder einer Schluckstörung. Auch heute noch verwende ich eher die deutschen Ausdrücke, weil viele Menschen diesen Fachausdruck nicht kennen.
Dysphagie hat vielerlei Ursachen. Eine Krebserkrankung in der Mundhöhle wird meist von dieser Störung begleitet, zählt aber zu den seltenen Ursachen. Es sind die Menschen nach Schlaganfällen, mit Parkinson oder Demenz, die oft unter massiven Einschränkungen des Schluckaktes leiden. Sehr oft sind schlecht sitzende Zahnprothesen ein Grund, nicht nur, nicht richtig kauen, sondern auch nicht gut schlucken zu können. Ein großer Faktor ist auch ein hohes Alter. Die Muskulatur lässt auch im Gesicht nach, oft verringert sich auch die Kieferöffnung. Das alles führt dazu, dass die Nahrungsaufnahme nicht mehr so einfach ist.

  • Parkinson
  • Multipler Sklerose (MS)
  • ALS
  • Schädel-Hirn-Trauma
  • Demenz
  • schlecht sitzender Zahnersatz
  • Kopftumore

Ernährung bei Dysphagie

Wie ich bereits aus meiner eigenen Erfahrung berichtet habe, so gibt es nicht nur verschiedene Dysphagie Stufen, sondern auch verschiedene Dysphagie Kost Stufen, die nicht immer mit dem Grad der Einschränkung ganz deckungsgleich sind. Gerade was die Ernährung anbelangt, so muss man im Alltag viel ausprobieren, letztlich geht es ja dann auch noch um den eigenen Geschmack. Nicht jeder hat mit süßen Speisen eine große Freude. So erinnere ich mit Schrecken daran, als mir als erste feste Nahrung ein Schokoladen Pudding mit Schlagobers serviert wurde. Ich bin damals wirklich in Tränen ausgebrochen, weil ich die ganzen Jahre vor meiner Erkrankung nichts, absolut nichts Süßes gegessen hatte.

Im Alltag halte ich es für besonders wichtig, wenn schon das aussehen der Speisen leidet, dass wenigstens der Geschmack stimmt. Meine Rezepte Sammlung mit über 500 Rezepten sollten hier eine gewisse Auswahl bieten. Eine große Rolle spielt auch der Nährwert der Gerichte, ich bin ja keine Fachfrau auf diesem Gebiet, darum darf ich auch keine Empfehlungen abgeben. Aber auf den Umstand kann ich hinweisen, sich mit den Grundsubstanzen von Nahrung auseinander zu setzen. Gerade wenn man in der Nahrungsaufnahme eingeschränkt ist, soll man auf ausreichende Kalorienzufuhr achten.

Koststufen:

  • pürierte und passierte Kost
  • Breikost
  • weiche Kost
  • angepasste Kost
  • Normalkost

Wenn es um Getränke geht, dann gibt es auch verscheiden Merkmale. Hier muss man auch darauf achten , ob die Getränke warm oder kalt sein sollten.

  • zähflüssig
  • leichtflüssig
  • dünnflüssig

Dysphagie im Alltag

Der Alltag mit Dysphagie kann mitunter auch zu einer Herausforderung werden. Das betrifft nicht nur die Betroffenen selbst, sondern oft auch Angehörige, selbst wenn es sich nicht um Pflegesituatonen handelt. Rücksichtnahme ist da öfter gefragt. Es ist wirklich nicht immer ganz einfach, wenn alle bei gut gefüllten Tellern sitzen, und man als Betroffener förmlich ausgeschlossen ist. Das passiert selten aus einem Vorsatz, sondern aus Unüberlegtheit. Man sollte auch bedenken, dass Menschen mit Schluckstörungen wesentlich länger bei Tisch benötigen.

Darum mein Appell an Angehörige ein wenig Geduld an den Tag zu legen. Niemand hat es gerne, wenn man alleine bei Tisch zurückbleibt.

Therapien bei Dysphagie

Hier kann ich nur meine eigenen Erfahrungen wiedergeben, die sich vor allem auf meine Einschränkungen durch meine Krebserkrankung beziehen. Dysphagie durch einen Kopftumor bedeute einen langen Lern- und Übungsprozess, um wieder ein wenig an frühere Gewohnheiten anschließen zu können. Ich war tatsächlich zwei Jahre in sehr intensiver logopädischer Betreuung. Über Monate bin ich zweimal wöchentlich bei meiner Logopädin vorstellig geworden. Und das Üben war nicht nur auf diese Stunden eingeschränkt. Auch zuhause war auch täglich mindestens eine Stunde mit Training beschäftigt. Ich musste ja nicht nur wieder schlucken leren, ich konnte auch nicht sprechen.Es gibt unzählige Hilfsmittel, die dieses Training unterstützen. Besonders gut in Erinnerung ist mir ein Schnuller für Erwachsen, mit dem ich stundenlang herumgelaufen bin. Vorzugsweise, wenn niemand daheim war.
Für all diese Massnahmen kann ich nur dringen raten eine/n LogopädIn zu konsultieren. Und auch hier ist wieder sehr viel Geduld erforderlich. Ich trainiere heute, fast acht Jahre nach meiner Erkrankung, immer noch meine Zunge mit Übungen aus der Anfangszeit.

Ein ganz wichtiger Faktor in Zusammenhang mit Dysphagie ist die große Verschluckungsgefahr, die man niemals außer Acht lassen sollte. Darum ist es auch so wichtig sich immer wieder den Schluckakt vor Augen zu führen.

Zum Buch

Sehr viele Informationen zum Thema Dysphagie gibt es im Ratgeber Geschmeidige Kost, Essen ohne Barrieren, bei dem ich als Co-Autorin für die Rezepte fungiere. Das buch ist im Dezember 2018 in der Serie Gesundheit. Wissen. in Zusammenarbeit mit der MedUni Wien und dem MANZ Verlag erschienen.

Boban Erovic; Piero Lercher; Claudia Braunstein

Geschmeidige Kost

Essen ohne Barriere
23,90 EUR inkl. MwSt.

ISBN: 978-3-214-01487-2
Reihe: MedUni Ratgeber
Verlag: MANZ Verlag Wien
Format: Flexibler Einband
180 Seiten, 2018

Herzliche Grüße
signature
Open Graph Meta Tags

Und was meinst du?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

1 Kommentar
  • Manuela Rubner
    September 18, 2020

    Meine Mama hat Brustkrebs hinter sich-OP-Chemo-Bestrahlung.
    Nun geht es ihr ein bißchen besser, leider hat sie mit massiven Schluckbeschwerden zu kämpfen und nimmt immer mehr ab
    Ich mache mir große Sorgen, da kein Arzt Rat weiß-sie sagen alle das kommt von der Chemo, betrifft die Nerven und wird irgendwann wieder besser
    Trinknahrung nimmt sie mittlerweile (Astronautenkost) allerdings habe ich weiterhin das Gefühl sie nimmt ihre Lage nicht ernst genug.
    Gibt es evtl noch Tricks die die Dysphagie schneller beseitigen-z.B. Magnesium, da gut für die Nerven oä

    Für eine kurze Mail wäre ich sehr dankbar, da ich doch sehr verzweifelt und ratlos bin

    Vielen lieben Dank vorab
    Viele Grüße
    Manuela Rubner (marun@arcor.de)