Mein Leben acht Jahre nach der Diagnose Zungenkrebs

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Zuletzt aktualisiert am 7. Januar 2020 um 22:37

{Enthält Werbung/In Zusammenarbeit mit MSD} Die Leserschaft, die mir schon länger folgt, weiß, dass ich meist im Sommer oder im Herbst ein wenig aus meinem privaten Bereich und meiner Krankengeschichte erzähle. Das hat schon Tradition und einen relativ einfachen Grund. Ich möchte immer wieder in Erinnerung rufen, weshalb ich Geschmeidige Köstlichkeiten vor mittlerweile über sieben Jahren gestartet habe.

2011, der Sommer, der alles veränderte

Vorangegangen war ein Jahr davor, im Sommer 2011, eine dramatische Diagnose. Nach tagelangen Untersuchungen wurde mir Ende Juli 2011 ein Plattenepithelkarzinom am rechten Zungenrand, übergehend in den Mundboden diagnostiziert. Ich bin heute noch erstaunt, wie unaufgeregt ich damals diese Botschaft aufgenommen hatte. Im Nachhinein würde ich wohl behaupten, mein natürlicher Schutzmechanismus war hier auf Hochtouren und hat mich vor großer Verzweiflung bewahrt. Denn so wirklich ganz begreifen konnte ich das vermutlich zu diesem Zeitpunkt nicht.

Dramatische Diagnose Zungenkrebs

Ich bin mit der großen Gewissheit nach Hause gegangen, alles verstanden zu haben, was mir damals gesagt wurde.  Es war mir klar, dass der Eingriff ein wenig aufwändiger als eine Blinddarmoperation sein würde, aber, dass ich letztlich fast ein ganzes Jahr aus dem Leben gerissen würde, das konnte ich nicht abschätzen.  Übrigens habe ich unlängst bei einer Nachsorge ein PET-CT Bild von damals gesehen, auf dem der Tumor sichtbar war. Ich könnte schwören, dass ich diese Abbildung noch nie zuvor gesehen habe. Tatsächlich wurde mir das Bild 2011 beim Diagnosegespräch gezeigt, ich hatte es wirklich acht Jahre verdrängt. Und es ist gut, dass wir nicht alles im wahren Ausmaß wahrnehmen.

Komplizierter Start in ein neues Leben

Das war damals der Beginn meines zweiten Lebens, mit einem nicht ganz geglückten Start.  Die große Operation Anfang August, bei der der Tumor und die befallenen Lymphknoten entfernt und ein Implantat aus dem Unterarm in meine verbliebene Zunge transferiert wurde, dauerte 17 Stunden und verlief ohne besondere Vorkommnisse oder Komplikationen. Lediglich das Implantat wollte sich nicht gleich anpassen. Auch die Chemo/Strahlentherapie hat seinen gewünschten Erfolg gezeigt.  Nämlich eine komplette Remission und Tumorfreiheit.

Die Folgen einer Fehlentscheidung

Allerdings hatte ich eine folgenreiche Fehlentscheidung getroffen und mich vehement gegen eine PEG Sonde ausgesprochen, das hatte leider zur Folge, dass ich innerhalb von 2,5 Monaten 18 kg verlor und damit kurz vor einem multiplen Organversagen stand. Die Sonde wurde dann ohne meine wirkliche Einwilligung gelegt. Zum Glück, kann ich heute immer wieder nur wiederholen und rate auch mit bestem Gewissen Neupatienten ganz dringend dazu, wenn es von ärztlicher Sicht empfohlen wird.

Chemo- und Strahlentherapie

Ich möchte noch ein paar Worte zu meiner Chemotherapie verlieren. Damals wurde man mit dieser Diagnose mit Cisplatin behandelt. Was leider nicht nur den verbliebenen Tumorzellen angreift, sondern auch gesunde Zellen beschädigt. Manche Schäden bleiben manchmal auch länger bestehen, so leide ich heute noch an manchen Tagen an PNP, das bedeutet Kribbeln in Fingern und Füssen und wenig Gefühl an diesen Stellen. Das ist einfach der Preis, den ich bezahlt habe, um dieser schrecklichen Krankheit den Garaus zu machen.  Auch die Strahlentherapie hat ihre Spuren hinterlassen. Auch bei vielen anderen Krebstherapien gibt es Nebenwirkungen.

Angepasste, personalisierte Therapien

Heute verlaufen die Therapien bereits viel spezifischer und werden den Patienten noch individueller angepasst. Nicht nur bei der Bestrahlung kann man genauer arbeiten, sondern auch bei der Chemotherapie werden die Dosierungen wesentlich feiner abgestimmt und damit kann man auch mehr Lebensqualität und weniger Folge und Spätfolgen erreichen.

Trotzdem glaube ich, dass auch ein Quäntchen Glück dazu gehört und eine große Portion Mut und Selbstvertrauen. Nicht zu vergessen, die Unterstützung durch das Umfeld, all das sind Faktoren, die die Arbeit der Profis unterstützen.

Ein wunderbares Leben trotz Folge- und Spätschäden

Ich bin nicht ohne Schäden aus dieser Erkrankung herausgegangen. Mein oranger Behindertenausweis ist auch heute noch mein Begleiter. Eine veritable Spracheinschränkung und vor allem Dysphagie, das sind Schluckstörungen, sind fix in meinen Alltag integriert. Und mein Alltag ist meist spannend und aufregend. 

Meine beiden Blogs ermöglichen mir ein interessantes Leben nach der Erkrankung zu führen. Ich sage es ungern, aber so gesehen, hat der Krebs auch einen Sinn gehabt. Alles was ich heute tue, hat sehr oft etwas mit meiner ehemaligen Krebserkrankung zu tun. Seien es meine Blogs, meine kleine Firma, die ich vor gut drei Jahren gegründet habe oder sei es die ehrenamtliche Tätigkeit, die mich seit Jahren mit anderen Mundkrebspatienten in Verbindung treten lässt.

Herzensprojekt Betroffenenbegleitung

Das ist mein großes Herzensprojekt. Jenen mit meinem umfangreichen Wissen zu helfen, die ganz am Anfang dieser doch seltenen Krebserkrankung stehen. Ich versuche solche Menschen ein Stück ihres Weges zu begleiten. Oft reicht es, dass sie wissen, dass es Menschen wie mich gibt, die die Erkrankung hinter sich gelassen haben und in ein neues, wenn auch verändertes Leben, zurückgekehrt sind und zwar schon seit vielen Jahren.

Keine onkologische Patientin mehr, und trotzdem in der Nachkontrolle

Ich werde ja seit drei Jahren auch nicht mehr als onkologische Patientin geführt, sondern gelte als geheilt. Und daran möge sich bitte nie etwas ändern. Zur Nachkontrolle gehe ich jedoch auch heute noch zweimal jährlich.  Man geht ja auch zum Zahnarzt oder zum Gynäkologen, ohne sich viel dabei zu denken und so verlaufen für mich diese Nachsorgeuntersuchungen auf der Mund Kiefer und Gesichtschirurgie ohne große Aufregung.

Innovative Therapienagebote für Tumorpatienten

Nicht immer können Patienten mit der Diagnose Mundhöhlenkrebs geheilt werden und werden dann palliativ weiter behandelt. Besonders wenn die Erkrankung schon weit fortgeschritten ist oder bereits in andere Organe gestreut hat. Auch hier hat sich in den letzten Jahren viel in der Forschung getan. Das Stichwort lautet Immunonkologie, ein therapeutischer Ansatz, der das Immunsystem aktivieren soll. 

Dabei soll der Körper Krebszellen erkennen und bekämpfen. Die Therapie setzt bei Kontrollpunkten des Immunsystems an, die nennen sich Immun-Checkpoints, die die Aktivität der T-Zellen kontrollieren.  Diese T-Zellen sind unter anderem für die Bekämpfung der Krebszellen verantwortlich. Manchmal gelingt es jedoch Krebszellen die Checkpoints dazu auszunutzen, die T-Zellen auszubremsen.


Hier kann die immunonkologische Therapie ansetzen, in dem sie, wenn die Therapie anschlägt, die Checkpoints wieder aktiviert. Hierbei werden nicht die Tumorzellen direkt durch Medikamente manipuliert, sondern das Immunsystem stimuliert.

Diese Therapieform ist jedoch nicht für alle Krebsformen geeignet.

Manchmal treten, wie bei jeder Therapie, auch Nebenwirkungen auf, die teils schwerwiegend sein können, wie zum Beispiel Entzündungen im Körper.Da ist es, wie bei jeder Therapie sehr wichtig, dass die Patienten gut mit dem Fachpersonal zusammenarbeiten.  Das traue ich mir auch aus meiner eigenen Erfahrung sagen. Je besser der Kontakt zu Ärzten, Pflegern und Therapeuten ist, desto besser ist der Umgang mit der Erkrankung.

Weitere Informationen zum Thema immunonkologische Therapie mit Checkpoint-Hemmern sowie den Einsatzgebieten könnt Ihr hier nachlesen.

Mein Interesse an Neuentwicklungen

Ich beobachte solche Entwicklungen immer mit großem Interesse, auch wenn es mich nicht mehr betrifft, so freue ich mich für jene Patienten, die das gleiche Schicksal ereilt hat und die nun mit verbesserten Therapiemöglichkeiten rechnen können, die ihre Lebensqualität verbessern. 

Für mich wünsche ich mir, dass meine Gesundheit, mit all ihren kleinen Hindernissen sich nicht verschlechtern und dass mir das Glück, das mich seit vielen Jahren begleitet hold bleiben möge.

Krebs muss nicht das Ende bedeuten, es kann auch einen neuen Lebensweg bescheren.

Herzliche Grüße
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